Letzte RAUSCHende Ballnacht? - oder - let's have a party!
Die Breniig House Band mit Stephanie Nix & Fools Garden im Alten Dorfsaal zu Brenig - 14. & 15. 12. 2007

von Christel Amberg-Wiegand:

80iger Jahre als Losung ist nicht die Schlechteste! Ein Jahrzehnt voll knackig frecher Musik mit jeder Menge Partypotential! Sie war Lebensabschnittgefährtin, lieferte den Sound dieser Jahre. Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Da war diese Band auf dem Weg oder schon im Hormonwechsel. Der Sound der 80ger war poppig und/oder rockig, vieles ist an meinen Ohren vorbeigesaust, aber einige unverwüstliche Songs sind hängen geblieben. Auf die freue ich mich. Im Sound der Brenig House Band – mit Ole als Master of Desaster. Come on, let’s go! Die Bühne ist angerichtet…

… für die Fools Garden-Jungs! Für sie ein leichtes warm-up, zumal die erste Reihe gut aufgestellt ist mit absolut textsicherer und singfreudiger Fangemeinde. Meist weiblichen Geschlechts mit glühenden Augen. Und mit Handys, um den daheim gebliebenen mal schnell einen Neidgruß zu schicken. Es gab eine Zeit, da sorgten Feuerzeuge für schmachtende Stimmung, heute sollen das die Lichter der Displays, leider weit weniger schön. Peter hat die Stimme parat und Volker die Gitarre mit den Akkorden drin und ab geht die Post. Ihre Songs sind echte Ohrenschmeichler. Und wenn’s Fremdmaterial gibt, von Travis oder den Beatles, ist das sehr in Ordnung. Auch Musikadel verpflichtet. Welcome ist ihr Eröffnungsangebot und macht gleich mal klar, warum Fools Garden so erfolgreich sind. Perfekter Harmoniegesang und griffige Akkorde, schöne Melodien und tausendfach liveerprobt und mit allen Wassern gewaschen kann ihnen gar nichts passieren – außer Begeisterungsstürme! Peter wickelt alle Anwesenden in Rekordzeit um den kleinen Finger und Volker tut sein Übriges mit lockeren Sprüchen. Sie kriegen den Saal ruck-zuck aufgemischt, beherrschen die Kunst der Anmache aus dem Effeff! Mitsingen bis der Arzt kommt, nicht nur der Lemontree steht seit vielen Jahren sturmsicher in der Brandung - ohne ihn geht gar nichts. Ach? 80ger Jahre? Mit einer Zeitschleife vorbei an den 60gern – bei den Fab Four – mit Hello goodby läuten Peter und Volker die erste Trinkpause ein. Am zweiten Abend des Showdown im Dorfsaal legen Fools Garden mit einem leicht geänderten Set noch ne Schippe drauf, sind noch besser, irgendwie frischer… da schwingt noch etwas mit, da kommt noch mehr aus ihnen raus, ein Tick fetter, satter, frecher… da gibt’s Gänsehaut schon beim ersten Song, es liegt eine ganz besondere Stimmung in der Luft. Immerhin gibt es jede Menge Wiederholungstäter/Innen im Publikum und die wollen Neues erleben. Zum Beispiel den Human Teleprompter für Peter, damit er fehlerfrei durch Take on me, den Aha-Klassiker kommt. Außerdem startet er einen Selbstversuch unter dem Motto wie-lange-halte-ich-es-aus im Flokatipulli unter den Saunalampen? Er schlägt sich wacker, er ist einfach der geborene Frontmann. Seine Power ist ansteckend. Peter ist auch einer von den Musikern, für die die alte Weisheit gilt: don’t think to much, just feel it. Und genau so fühlt und hört es sich an. In jeder Note legen sie ihr Herz auf die Zunge. Die beliebten Publikumsspielchen zum Mit-, Vor- und Nachsingen, seid ihr noch bei uns?, sind immer gern genommen und wenn’s beim ersten Mal nicht so wie gewünscht klingt, kriegen wir noch ne zweite Chance. Aber dann!!! Brenig kommt langsam aber gewaltig!

Endlich! Endlich gibt es richtigen Strom auf die Gitarre. Bis eben war es „Ökostrom“ – jetzt kommt RAUSCH-Power! Jens fehlt nicht unentschuldigt, er muss keinen Eintrag ins Dorfsaal- Klassenbuch fürchten. Er hatte die Kapitänsbinde vorab an Ole übergeben. Ab jetzt gibt es ein gut zweistündiges Ole-Solo! Frieder am Bass zieht ordentlich vom Leder. Er ist mit Tommy am Schlagwerk das Rhythmusteam, Tobi Reiss pflügt über die Tasten und Steffi Nix für die Vocals sorgt mit ihrer Rockröhre für eine faustdicke Überraschung! Potzblitz! Hört hin, ihr piepsigen Flüstergirls hinterm Mikro, so klingt’s, wenn man/Frau es kann! Und verdammt gut sieht sie aus! Mit dieser Frontfrau ist der Lady-Part bestens besetzt: Blueprint, Tell it to my heart oder Bette Davis’ Eyes und Kids in America klingen absolut authentisch, kommen frisch und mit ganz viel Ausstrahlung und einer riesigen Power auf die Bühne. Ole? Ole?! Bist du noch da? Er hat plötzlich so einem seligen Gesichtsausdruck… wie Tommy auch … die beiden sind grad mal weg… das Brenig-Mysterium zieht auf. Die House-Band versteht ihr Handwerk, das muss man ihnen lassen. Der Sound der 80iger Jahre kommt perfekt rüber, scharf, spitz, aufgeheizt, sehr sehr geil. Tobi ist für die „männlichen“ Hits zuständig, die von Elton John oder Paul Young. Uneingeschränkte Erlaubnis erteilt. Dabei traktiert er die Tasten wie ein Teufelskerl. Musik mal wieder im Bauch zu fühlen. Verschärfte Gangart. Wenn schon Showdown, dann aber fett!

Sie haben ihn herbeigespielt oder es muss ihm in den Ohren geklingelt haben! Plötzlich schleicht sich Jens von der Seite auf die Bühne. Was wären die 80er ohne Sax? Was wäre diese Band ohne dieses schmutzige, lasterhafte Sax? Ein ohrenbetäubender Lärm erzittert den Alten Dorfsaal und Jens bläst ein… macht ab jetzt den Saal verrückt! What’s love got to do with it sorgt für Treibhauseffekt. Steffi und Jens schieben sich angeturnte Blicke zu, die sind der pure Zunder, die pure Anmache. Ole macht noch eben Feintuning, die Saxinette verrät schon, was kommt: Cindy Laupers Time after time, eingeklatscht, endlich haben es alle gemerkt, was los ist, nicht nur, dass der Himmel rot ist… Dann wird die Bühne zum Sperrbezirk: Addicted to Love, DIE Robert-Palmer-Nummer ist pure Sexplosion! Druckvoll, scham- und gnadenlos und aufreizend spielen sie mit dem Feuer. Schweineorgel, Chackachaks, wummernde Bässe und Jens tief im Knie, das Sax wie ein Phallussymbol weit von sich gestreckt, fegt er über die Bühne. Spielen bis die Halsadern hervortreten, die Nackenmuskeln schmerzen und die Lungen platzen. It’s only Rock’n Roll but I like it! Es geht in die Endlosschleife und der Saal wird zum Tollhaus! Abgang, der erste.

Der Zauberwort heißt: Zugabe, die Band will es hören, Z!-U!-G!-A!-B!-E! Ja-doch! Alle Mann wieder an Bord, Steffi auch, Volker jetzt mit der E-Gitarre gerüstet, Peter gibt King of Pain, Wouldn’t it be good und dann fehlt nur noch U2’s Still haven’t found, um der völlig ausgelassenen abgefahrenen überdrehten Session endgültig den Status everlasting famos-last-tunes zu verpassen. Keiner will gehen, alle wollen die Zeit betrügen, sich selbst belügen. Bis hier war alles noch im überwiegend grünem Bereich, oft schon nach gelb übergeschwappt, jetzt geht es endgültig in den tiefroten Bereich, wo alle Sicherungen durchbrennen, der Platz eng wird und die Luft dünn… Im Befehlston der finale Adrenalinstoß: Don’t go away! Unbeschreiblich was da jetzt passiert. Sie mobilisieren alle Energiereserven, ihre und meine, schleudern kochend heiße Musik in den Saal. Jens spielt sich und jeden auf der Bühne und im Saal in einen Zustand, wo man keinen Schmerz spürt, keinen Durst, wo es kein Morgen und kein Gestern gibt, sondern nur noch JETZT. Nach einer kleinen Ewigkeit dieser Teufelsaustreibung, dieser inneren Reinigung von allen Sünden, fühle ich mich gemartert und schwerelos schwebend auf einer großen weißen Wolke mit der Aufschrift: Welcome to the pleasure dome!

Am zweiten Abend klingt die Brandrede auf die 80ger nur unmerklich weniger lodernd. Ein paar Songs werden ausgetauscht, die Röhre Steffi kommt mit Tell me that I love you nicht weniger heiß rüber. Tobi schweineorgelt was das Zeug hält und Ole sorgt in seinem unvergleichlichen Sound für eine weitere RAUSCHende Ballnacht! Die Betriebstemperatur ist in Rekordzeit erreicht. In case of emergency geht Addicted to love auch ohne Jens’ Kanne. Ole ersetzt das Sax einfach mit einem furiosen Solo seiner Hausmarke. Aufgabe glänzend gelöst. Genauso aufpeitschend und glaubwürdig. Let love rule von Lenny Kravitz ist zunächst ne ganz schön smoothige groovige Nummer und wird hinten raus zum Megakracher. Mein Gott, prügelt Tobi auf seine Tasten ein und singt! Er sieht aus wie ein Buchhalter und hat’s faustdick hinter den Ohren. Gnade. Ole zersägt derweil die Luft mit seinen Riffs – es Rauuuuuuuuscht ganz gewaltig!

Kleines Finale – da muss man auch was für tun. Also, bitte, Publikum – aufwachen! Letzte Möglichkeit vor der Autobahn! Jetzt wieder mit Peter und Volker. Gut so, sie machen den Sound breit und dicht. Und Peter legt mit King of Pain los. Sein Selbstversuch geht weiter: diesmal in Jeansjacke! Wouldn’t it be good – ja – es würde! I wanna be here no more ist dagegen glatt gelogen. Das Publikum schwächelt ein wenig. Dabei ist es wirklich verdammt gutes Hand- und Mundwerk was die Band hier abliefert und mehr als nur Respekt und höfliches Abklatschen wert. Ich erteile Absolution für ihre Coverversionen und schäme mich nicht meiner Gänsehaut und Schmetterlinge im Bauch. Sie legen noch mal fett auf: Still’ haven’t found, den markanten U2-Gitarrensound nageln diesmal Ole und Volker gnadenlos aufs Brett. Riesig. Das geht durch und durch. Diese Power ist hoch ansteckend und da geht noch mehr: Ole kündigt ein Experiment an. Höre ich da die ersten Akkorde von I will follow? Woll’n sie wirklich? Woll’n sie Jens in Offenburg anstacheln oder befrieden? Das Experiment muss man als absolut gelungen bezeichnen. Die geänderte Versuchsanordnung mit ohne Sax und Volker an den Vocals geht absolut in Ordnung und wird eines dieser nice little memories.

Dann sind sie weg. Und da hilft auch noch kein so fußballstadionerprobter Gesangsschwall: „wir legen noch nen 10er drauf“ – mit knapp drei Stunden Musik vom Feinsten haben sie uns die Ohren aufgebohrt. Wo bekommt man das noch? Man muss auch mal zufrieden sein. Klar hätte ich gern noch den einen oder anderen Song gehört, aber ein Jahrzehnt Musik kriegt man nicht an einem Abend abgespult.

It’s not over, ’till it’s over! Und ein Abschied ohne die „echte“ legendäre Dorfsaal-Band und vor allem ohne den Hausherren Jens gilt nicht als Abschied. Wir hoffen auf eine erfolgreiche Wiederbelebungsmaßnahme. Der Stein in der ewigen Ruhmeshalle des Rock ’n Roll bleibt fest einzementiert. In den Wänden, dem Boden und der Decke und in unseren Herzen ohnehin! Auf Wiedersehen – wo auch immer, wann auch immer! Wir werden da sein! Macht also weiter, Jungs, ich bin sicher, irgendwo werden sie euch eine Herberge geben!

Christel Amberg-Wiegand für www.erlebtemusik.de

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